Unfall im Ausland – wie läuft die Unfallregulierung ab?
Donnerstag, 4. August 2022
Es ist ein Albtraum für Reisende: Ein Unfall mit dem eigenen Pkw im Ausland. Hat es außerhalb der deutschen Landesgrenzen gekracht, steht selbstverständlich zunächst die Versorgung von Verletzten im Vordergrund. Doch auch, wenn es glimpflich ausgeht, müssen Autofahrer einiges berücksichtigen. Wissenswertes zur Unfallregulierung nachfolgend zum Nachlesen.
Das ausländische Recht
Kommt es zu einem Unfall im Ausland mit Einheimischen, spielt es keine Rolle, welcher Nationalität die Gegenseite angehört – es gilt das am Unfallort geltende Recht. Die Unfallregulierung erfolgt dementsprechend nach dem ausländischen Verkehrsrecht. Da sich die Rechte stark von den in Deutschland unterscheiden können, ist ein ausländischer Verkehrsanwalt empfehlenswert, der sich mit den Gesetzen auskennt.
Ausnahme: Sind ausschließlich Deutsche mit deutscher Kfz-Haftpflichtversicherung auf ausländischem Boden in einen Unfall verwickelt, gilt das deutsche Schadensersatzrecht und die Unfallregulierung wird über die deutschen Versicherungen abgewickelt.
Verstoßen Ausländer im Reiseland gegen Verkehrsregeln und verursachen dadurch einen Unfall oder sind zumindest Mitschuld, müssen sie sich gemäß ausländischem Recht verantworten. Durch die EU-weite Vollstreckungshilfe können Bußgelder und sonstige Sanktionen über die Landesgrenzen hinweg durchgesetzt werden. Zum Teil führen im Ausland bereits kleinere Verstöße zu hohen Geldbußen.
Deutsche und ausländische Sanktionen – keine vergleichbare Transparenz
Während Bußgelder in Verbindung mit Unfällen im deutschen Bußgeldkatalog klar geregelt sind und sich z. B. unter https://www.bussgeldkatalog.org/bussgeldrechner/ konkret kalkulieren lassen, haben die wenigsten Staaten der EU ein vergleichbar einheitliches Regelwerk. Stattdessen sind oft nur Orientierungswerte im Internet zu finden und es fehlt der ganzheitliche Überblick.
Trotz der unterschiedlichen Sanktionen gibt es eine allgemein gültige Grundlage zur Vollstreckung von Bußgeldern und Verkehrsverstößen im Ausland: Das Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen – kurz IRG. Gemäß EU-Rahmenbeschluss (RbGeld) werden Sanktionen ab 70 Euro (inklusive Verwaltungskosten) auch im europäischen Ausland vollstreckt.
Die erste Handlung: Unfallstelle sichern
Der erste Schritt bei einem Unfall – egal ob zu Hause oder im Ausland – besteht im Sichern der Unfallstelle. Damit werden weitere Unfälle verhindert. Das Einschalten der Warnblickanlage und Anziehen von Warnwesten ist dabei ebenso wichtig wie das Aufstellen des Warndreiecks. Anschließend gilt es für Verletzte die erste Hilfe zu leisten und bei Bedarf den Rettungsdienst zu rufen.
Personenschäden und Verletzungen
Sobald es Verletzte durch einen Unfall gibt, sollte die lokale Polizei eingeschaltet werden, um die Verletzungen offiziell zu Protokoll zu bringen. Möchten Reisende Schmerzensgeld fordern, sollte ein ausländischer Arzt direkt vor Ort die Verletzungen attestieren. Entsprechende Dokumente von Ärzten aus Deutschland werden später oft nicht anerkannt, was die Geltendmachung von Ansprüchen erheblich erschwert.
- Keinesfalls sollten Unfallbeteiligte Aussagen zur Schuldfrage oder Angaben zum Hergang des Unfalls machen.
- Im schlimmsten Fall belasten sich Beteiligte unnötig selbst.
- Auch Schriftstücke in ausländischer Sprache sollten keinesfalls unterschrieben werden, wenn der Inhalt nicht vollständig verständlich ist.
- Lediglich zum Aushändigen der Personalien besteht die Pflicht.
Polizeiliche Unterstützung ist außerdem empfehlenswert, wenn Unfallgegner vom Unfallort fliehen, keine Versicherung haben oder keine Einigung ermöglichen. Auch bei hohen Sachschäden ist die Polizei vorteilhaft. Hinzu kommt, dass es in manchen Ländern Pflicht ist, die Polizei zu rufen, sobald ein Sachschaden verursacht wurde. Generell gilt: Ein Polizeibericht ist in vielen Fällen im Ausland nützlich. Wichtig ist, dass sich Reisende den Polizeibericht kopieren und aushändigen lassen. Auch die vollständigen Namen der zuständigen Polizeibeamten sind zu notieren, um bei Fragen oder Unstimmigkeiten zu wissen, wer vor Ort war.
Dokumentation – der europäische Unfallbericht
Im europäischen Unfallbericht können alle Beteiligten die Unfallsituation schildern. Das Dokument sollte in jedem Handschuhfach liegen, um im Ernstfall vorbereitet zu sein. Ergänzend dazu ist es ratsam, Fotos vom Unfall und der Umgebung zu machen – auch Videoaufnahmen und Skizzen können später helfen. Folgende Daten müssen Reisenden vorliegen, bevor sich die Unfallbeteiligten verabschieden:
- Name und Anschrift aller beteiligten Fahrer und Zeugen (Mit Ausweis abgleichen)
- Name und Anschrift der Fahrzeug-Halter (Mit Ausweis abgleichen)
- Kennzeichen sämtlicher Unfallfahrzeuge
- Versicherungsnummern des Verursachers bzw. der Beteiligten
Ergänzend dazu werden Ort, Zeit und Wetterbedingungen zum Unfall notiert.
Die Schadensregulierung und helfende Ansprechpartner
Die eigene Kfz-Versicherung sollten Urlauber innerhalb einer Woche benachrichtigen. Ist das versicherte Fahrzeug stark beschädigt und die Weiterfahrt nicht mehr möglich, sollte die Kontaktaufnahme mit der Versicherungsgesellschaft umgehend erfolgen. Auch bei Unklarheiten hinsichtlich der Schuldfrage helfen gute Versicherer mit konkreten Tipps zum Einzelfall.
- Darüber hinaus steht laut EU-Kraftfahrthaftpflicht-Richtlinie in jedem Mitgliedsstaat ein Regulierungsbevollmächtigter zur Verfügung, an den sich Geschädigte wenden und auf Deutsch kommunizieren können, um Ansprüche geltend zu machen.
- Eine Liste mit den Beauftragten hat der Zentralruf der Autoversicherer unter https://www.zentralruf.de/ parat.
- Ist die ausländische Gegenseite schuld am Unfall, kümmert sich der zuständige Schadenregulierungsbeauftragte um die Abwicklung.
Liegt nach drei Monaten kein Angebot für eine Entschädigung der Gegenseite vor, ist die Verkehrsopferhilfe (VOH) der richtige Ansprechpartner. Die Einrichtung ist zwar nicht verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, wenn beispielsweise Fahrerflucht vorliegt oder die ausländische Versicherung ihre Zahlung verweigert, im Idealfall springt die VOH jedoch ein und Geschädigte bleiben nicht auf den Unkosten sitzen. Unter http://www.verkehrsopferhilfe.de/de/unfallmeldung/ können Verkehrsopfer Unfälle im Ausland direkt melden.
Die Internationale Versicherungskarte – auch Grüne Versicherungskarte genannt – diente viele Jahre als Nachweis der Kfz-Haftpflichtversicherung im Ausland. Innerhalb der Europäischen Union ist sie durch das Kennzeichenabkommen zwar nicht mehr nötig, dennoch ist das Mitführen empfehlenswert, weil sie im Rahmen der Schadensabwicklung einiges erleichtert. Schließlich sind darauf alle nötigen Daten vermerkt. Auch in Montenegro und Großbritannien ist die Grüne Karte seit dem 2. August 2021 nicht mehr verpflichtend.